Suchtverhalten beim Hund: Wie entsteht es und was kann man dagegen machen?
Suchtverhalten beim Hund ist leider ein sehr aktuelles Thema innerhalb des Fachgebietes Hundeerziehungsberatung. Wie entsteht Sucht, welche Faktoren begünstigen die Entstehung von Sucht und welche Zusammenhänge gibt es zwischen Veranlagung und Erziehung? Welche neurophysiologischen Prozesse führen zum Teufelskreis (dem Circulus vitiosus), der die Sucht weiter ansteuert. Wie kommt der Hund aus diesem Teufelskreis heraus und kann sich wieder ein Circulus species specificum, ja sogar vielleicht ein Circulus virtuosus entwickeln?
Die Entstehung von Suchtverhalten beim Hund
Sucht fängt beim Hund mit Spaß an. Gesteuert durch das dopaminerge System wird im Gehirn das Belohnungszentrum (der Nucleus Accumbens), ich nenne es das Motivationszentrum, aktiviert. Diese Aktivierung führt zur Produktion von Endorphinen. Wenn die Dopaminproduktion ( Dopamin = Botenstoff / Neurotransmitter, der Signale zwischen den Nervenzellen weiterleitet) eine verstärkte Endorphine-Produktion triggert, entsteht ein Gefühl von Euphorie, eine Art Glücksrausch. Hält dieser Rausch für eine etwas längere Zeitphase an, kann der Hund in einen Trance-Zustand kommen. Das supergute Gefühl möchte der Hund am liebsten wieder haben. Wenn er dieses Gefühl bei der Wiederholung der Handlung in der Situation erwartet, in der das Glücksgefühl zum ersten Mal aufgetreten ist, wird er oft diesen Kick nicht mehr erfahren. Er sucht verstärkt, bis hin zu verzweifelt, nach dem gleichen Glücksrausch, der aber nicht mehr auftritt. So wird sein nahezu konstantes Such-Verhalten zum Suchtverhalten.
Was begünstigt die Entstehung von Suchtverhalten beim Hund?
Durch Stress wird die Entstehung von Sucht sehr stark begünstigt. Wenn Stress mehr und mehr zur Belastung wird, ist der Glücksrauschzustand ein Gefühl, welches für kurze Zeit die negativen Empfindungen unterdrückt. So sind Hunde, die unter Stressintoleranz leiden, mehr gefährdet eine Sucht zu entwickeln.
Auch Frustrationsintoleranz, die automatisch zu einer mangelnden Selbstbeherrschung führt, begünstigt das Entstehen von Sucht. Die mangelnde Selbstbeherrschung führt zu einer verstärkten Emotionalität. So wird auch dadurch der positiv emotionale Kick verstärkt gespürt. Bei sozial unsicheren Hunden wird aus gleichem Grund der Glücksrausch oft als ein absoluter Kick erfahren. Deswegen kann auch bei Angst die kurzzeitige Unterdrückung der negativen Emotionen, während des euphorischen Zustands, zu einer verstärkten Suchtgefährdung führen. Die Sucht wird für diese Hunde zur Stressverarbeitungs-Strategie.
Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Aktivitäten und der Entstehung von Sucht. Zu viele Aktivitäten führen zur zu wenig Ruhe und Erholung und somit zu Stress. Gleichbleibende, stereotype Wiederholungen von Aktivitäten führen nicht mehr zur Dopamin-Produktion und so bleibt der anfängliche Kick weg. Auch der Persönlichkeitstypus, z.B. Hypersensibilität, verstärkt die Suchtgefahr. Eine sensible Persönlichkeit, die schnell emotional handelt, wird dadurch oft Frustration erfahren und so wird auch durch diesen Persönlichkeittypus der Kick all seine temporäre Unterdrückung an negativen Emotionen erfahren.
Die Sucht nach Anerkennung
Belohnungssysteme, so wie aus dem Behaviorismus, innerhalb einer Beziehung, bewirken als solches auch eine Art Sucht. Hunde werden auf diese Weise unter sozialen Druck gesetzt. Da die soziale Akzeptanz anscheinend nicht bedingungslos ist, sondern unter der Bedingung von erbrachten Leistungen gesetzt wird. Für Hunde steht auch oft das Leckerchen als Symbol für soziale Anerkennung. Der Hund wird unter Umständen konstant, mehr oder weniger süchtig, auf der Suche nach dieser sozialen Anerkennung bleiben. Er kommt dann nicht mehr zur Ruhe und fühlt den fast konstanten Druck, dass er das was wir von ihm wollen, tun muss, um akzeptiert zu werden. Das Belohnungssystem ist eher eine Art Entschädigungssystem, die Wirkung stumpft ab. Eigentlich muss dann der „positive“ Verstärker immer stärker werden, um denselben Effekt zu erzielen.
Nach einer ersten Lernphase wird der Hund oft weniger “entlohnt” als davor. Der Ausfall (Deprivation) des Kicks, während der Hund die gleiche Handlung ausführt, die zuvor „belohnt“ worden ist, führt zum Abfall der Dopamin-Produktion. Durch die Art der Fütterung, Leckerli Gabe über den Tag verteilt, wird noch ein körperlicher Stressor erzeugt, denn es gibt oft kein Sättigungsgefühl. Das Appetithormon Ghrelin wird durch einen Mangel an Leptin nicht ausreichend abgebaut. Das erzeugt Frust und steuert die Produktion von Vasopressin und Adrenalin, sowie Cortisol an.
Die Konsequenzen des Suchtverhaltens
Durch die Sucht verliert der Hund mehr und mehr seine soziale Kompetenzen. Die Sucht sorgt dafür, dass der Hund auf das Befriedigen seines eigenen Bedürfnisses, einen erneuten Kick, den er in der Anfangsphase gespürt hat, orientiert ist. Oft steht bei Hunden ein Gegenstand als Symbol für seine Sucht, z.B. der Ball bei dem Balljunkie oder das Leckerchen bei einen „Leckerlihund“. Wenn sich das Suchtobjekt im Blickfeld befindet, ist der Hund sehr stark auf das Objekt fixiert. Dies stört die Wahrnehmung des eigenen Umfelds und sorgt somit auch für eine gestörte Kommunikation. Oft wird bei Abwesenheit des Objekts in der Umgebung ein möglicher Ersatz gesucht. Sucht verstärkt das besitzergreifende (possesive) Verhalten im Allgemein und insbesondere in Bezug auf das Suchtobjekt. Der Hund entwickelt oft eine Unsicherheit, oder sogar Angst das Objekt zu verlieren. Gesteuert durch Vasopressin verstärkt sich hierdurch die Aggressionsbereitschaft. Erhöhter Stress oder eine einfache Erinnerung können lebenslang zu Rückfälligkeit in der Sucht führen.
Was hilft gegen das Suchtverhalten beim Hund?
Es ist absolut wichtig die Bedürfnisse des Hundes zu verstehen und diese so weit wie möglich auch zu befriedigen. Denn ein in seinen Bedürfnissen befriedigter Hund findet Ruhe und Entspannung. Ruhe und Entspannung sind zur Unterstützung, um der Sucht entgegenzuwirken, unentbehrlich. Die Aktivitäten sollten immer in einem sozialen Kontext stehen. Zu vermeiden ist also, dass der Hund sich alleine beschäftigen muss. Ebenfalls sind bei den Aktivitäten stereotype Abläufe zu vermeiden. Einmal pro Tag würde man sich draußen länger mit dem Hund mit einem sogenannten sozialen Regelspiel, welches unbedingt dem Interesse des Hundes entsprechen sollte, beschäftigen. Und auch zur Befriedigung seiner Bedürfnisse beiträgt.
Da intrinsische Motivation wichtig ist, sollte es so etwas wie eine gemeinsame Aktivität zum Nahrungserwerb sein, in der eine Form einer Ersatzjagd integriert ist. So wie die Ersatzjagd auf einen Preydummy®, dies sind Futterbeutel in denen sich die Hauptmahlzeit befindet. Denn nur dann, wenn die Aktivität für einen Hund sinnvoll ist, wirkt diese der entstandenen Sucht entgegen. Die Bezugsperson sollte auf jeden Fall übliche Belohnungssysteme (wie Leckerli Gaben) unterlassen, weil diese die Sucht stimulieren und ein Unwohlgefühl im sozialen Miteinander bewirken. Auch alle „Zirkustricks“ oder andere, aus Sicht des Hundes, nutzlose Aktivitäten sollten nicht mehr stattfinden. Das Ziel sollte das Erreichen eines Gleichgewichts (Homöstase) sein, wodurch ein Hund wieder seine Ruhe findet und hierfür lässt man den Hund dann auch in Ruhe! Mehr Ruhe und Schlaf wirken enorm gegen Sucht.
Wo bekomme ich Hilfe / finde Ansprechpartner*innen ?
So wie es bei Menschen auch keine wirklich effiziente Beratung nur Online bei Suchtproblemen geben kann, so empfehle ich auch jeder Hundehalterin bzw. jedem Hundehalter bei Suchtproblemem des Hundes einen professionellen Hundeerziehungsberater bzw. Beraterin vor Ort aufzusuchen, damit die Suchtproblematik engmaschig begleitet werden kann. Ich wünsche viel Erfolg dabei! In unserem Netzwerk gibt es ausgebildete Natural Dogmanship® Instruktor*innen und Hundeerziehungsberater*innen, die dabei Hilfestellung geben können.
Mehr Infos für Interessierte
Für Interessierte, die mehr in die Materie einsteigen möchten oder sich beruflich mit dem Thema “Hundeerziehungsberatung” befassen möchten und mehr als eine Hundetrainer Ausbildung suchen, bieten wir eine umfassende Fachausbildung “Hundeerziehungsberatung” in Niedersachsen, Rheinland Pfalz und in der Schweiz an, in der auch diese Inhalte wie “Sucht” und “Aggression” vermittelt werden. Hier findet ihr weitere Informationen, alle Ausbildungsinhalte und die anstehenden Termine und Gebühren.